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Veröffentlicht in "Mehrrumpfboote" Nr. 118 - Januar 2006

Erfahrungen aus unsrer Reise nach Riga 2005


44 Tage waren wir zu zweit mit einem F 31 R - knapp unter zwei Tonnen Gewicht - über Dänemark und Schweden nach Riga unterwegs. Der Rückweg über Litauen, Polen und südlich von Rügen zurück nach Kiel wird meistens für die Hinfahrt bevorzugt.

Schon am zweiten Tag westlich von Vordingborg bei bis zu 30 Knoten Wind in den ruppigen, kurzen Wellen brach der Mastrotator links und riss rechts ein. Das Schiff segelt die 4. Saison und hatte noch keine 3000 Meilen geschafft.

Wir konnten den Schaden in Kalvehave schweißen lassen - und die dänische Handwerkskunst hielt bis zuletzt.

Im engen Fahrwasser der Faksebucht sausten wir mit Brass in den Schlick- und das Schwert überstand es unbeschadet. Hatte ich doch 2002 zum Ende der Saison feststellen müssen, dass sich mein Schwert aufgelöst hatte ( Siehe Artikel Mehrrumpfbooten Nr 110 Januar 2004 „ Ist Leicht auch Gut?”)ohne, dass ich mir erklären konnte, wie es zu einer Beschädigung gekommen war, so sah ich schon das Ende unsrer Reise bereits am dritten Tag vor mir.

Viele Tage später in Ekenäs südlich Kalmar raffte ich all meinen Mut zusammen und inspizierte das Schwert, indem ich tauchte und es auf Risse untersuchte. Zu meiner großen Erleichterung konnte ich nichts feststellen. Vielleicht war es doch stabiler gefertigt als das erste - es wog nur 28 kg - und mit dem F 27, dem Vorgänger hatte ich öfters Grundberührungen - doch nie ernsthafte Schäden- es hat elf Jahre unbeschadet gehalten, bis es durch Verkauf sich meiner Kontrolle entzog.

Und dann ging es bei ordentlich Wind und Welle die 100 Meilen vom Farö-Sund nördlich Gotland über die Ostsee nach Ventspils in Lettland. Regen, unangenehmer Seegang aus Süd und böiger Wind setzten uns zu, verhalfen uns aber zu einer schnellen Reise. Mit einem Schnitt von 8,5 sm erreichten wir den sicheren Port nach knapp 12 Stunden zum verdienten Kaffee..

Unter der gotländischen Küste liefen wir mit Groß, Fock und Screacher - bis dies Fall brach und wir das ausgerollte Segel ins Vorschiff sicherten.
Bei der Racing- Version handelt es sich um verjüngte Fallen. Vor zwei Jahren war uns im Ausgang des Alsenfjords bei 6 Beaufort das Fockfall gebrochen. Nach langen Hin und Her entschloss ich mich normale Fallen zu verwenden.

Aber in Ventspils angekommen und beim Einziehen des jetzt verkürzten Screacherfalls mussten wir feststellen, dass auch das normale Fockfall bereits im zweiten Jahr erhebliche Abnutzung des Mantels aufwies. Ursache ist mit Sicherheit der drehbare Mast, der erstens dazu führt, dass das Vorstag nicht wirklich dicht gesetzt werden kann und zweitens trotz der seitlichen Führungen am Eingang oben in den Mast zur Umlenkrolle das Fall seitlich ständig schabt.

Ob man dem Verschleiß durch Kürzen am Kopf vorbeugen kann, weiß ich noch nicht. Da der Beschlag bei mir eingespleißt ist, bietet sich dies nicht gerade an. So trennten wir das Fall an der schadhaften Stelle mit dem Ergebnis, dass es nun gerade noch über die Winsch zum Setzen reicht - ich wünsche es mir so lang, dass ich das Fall vom Ruder aus bedienen kann.

Die vorhandene Reffeinrichtung verlangt zwar einen Mann vor dem Mast, hat sich aber hervorragend bewährt - selbst zu zweit gab es nie Probleme - und wir mussten oft reffen!

Und Dank eines eingezogenen Reffs haben wir auch die Regatta in Riga heil überstanden.

Vor Pavilosta brach der Beschlag, der mit einem Gurt den drehbaren Baum mit der Travellerschot verbindet - natürlich blies es wieder mit 6 auflandig in einer geradezu abenteuerlichen Welle.

Auch das war mir zwei Jahre vorher in der Flensburger Bucht schon einmal passiert - und so holte ich den Ersatzgurt aus der Tasche und stellte zu meiner Freude fest, Nummer drei ist eindeutig stärker ausgelegt, als die gerissenen eins und nun zwei.
( „Ist Leicht auch Gut?”)

Wir ankerten in der wilden See mit einem 12 Kilo schweren Kobra (bester im Yachttest) und sechs Meter Kette an ordentlich Leine vor Hahnepot auf 5 Meter Sandgrund auf Legerwall und ersetzten den Gurt.

Meinem Danforth 11Kg traute ich nicht mehr so recht, seit er mich in der Schlei bei weit weniger Wind nicht gehalten hat.

Für diese Fahrt hatte ich umgerüstet und ihn gar nicht erst mitgenommen. Ein faltbarer Zweitanker lag in der Vorpiek. Und schon bei Vordingborg - am zweiten Tag - bei 25 Knoten Wind hatte sich der Kobra bewährt und uns ruhig schlafen lassen.

Nach zwei Stunden nahmen wir den Anker auf - was nur mit äußerster Maschinenkraft -Yamaha 9,9 PS Four Stroke - gegen die Wellen und mit vollem Körpereinsatz gelang, kreuzten die 7 Meilen vor die Einfahrt auf und schossen mit 10 Knoten Fahrt in die enge molenbewehrte Flussmündung.

Ein ausgezeichnetes Gasthaus entschädigte uns vollauf - nicht nur die neuen Waschräume sollte das Hafenhandbuch lobend erwähnen.

Einziger Badehosentag in 35 Segeltagen von Liepaja nach Klaipeda.

Der große Schlag nach Danzig - Luftlinie oder besser Wasserlinie 120 Meilen stand an.

Freundlich verabschiedete uns der Zoll um 7 Uhr und hinaus durch die lange molenbewehrte Einfahrt. Nordost war angesagt, unter Land das Wasser glatt und einer an der Pinne, der andre eingepickt vorn auf dem Luvschwimmer schossen wir über die See. Nordwestlich des Leuchtturm Brüster Ort an der 12 Meilen Grenze hatten wir uns einen Wegepunkt gesetzt, um russische Gewässer zu vermeiden.

Aggregat, Schlauchboot, Porta Potti und Spinnaker lassen wir das nächste Mal zu Haus.
Alles nur Ballast auf einem Schiff, das seinen Reiz durch die Leichtigkeit des Seins erhält.
Bei 35 Segeltagen gab es nur einen Tag die Möglichkeit, den Spi hochzuziehen und dann passte der Kurs nicht - so ging es schließlich mit dem Screacher nicht langsamer.

Nach sechs Stunden und einem Schnitt von 10 Knoten hatten wir die Marke erreicht und sahen uns schon abends durch Danzig bummeln.

Doch nun rächte sich, dass wir den wenigen Rotwein nicht mit Rasmus geteilt hatten!

Unfassbar und völlig überraschend drehte der Wind auf Südwest und eine See rollte auf uns zu, wie wir sie bisher noch nicht erlebt hatten.

Wohin? Danzig war vergessen - Öland 120 sm in Nordwest - und Russland im Nordosten tabu - wir hatten kein Visum!

Die Wellenhöhe nahm rapide zu und wir konnten nur ablaufen. Ich schätze die Höhe betrug 2,5 bis 3 m. Später las ich, dass man in der Danziger Bucht Wellen bis zu 10 Metern gemessen hat.

1991 war ich schon einmal in Baltisk und in Pionierski gewesen - damals hatte uns der Sturm auf dem Weg nach Memel den schützenden Hafen aufsuchen lassen. Schäden an anderen Yachten auf See waren entstanden und ein Mast verloren gegangen.

Ich wusste um die unangenehme Einfahrt von Pionierski - vor allem bei Starkwind.

Aber unser Leichtgewicht hatte keine Wahl!

Es gab unter diesen Bedingungen nur eins: Zurück!

Und das war kein Problem, wir rauschten auf den Wellenkämmen mit 10 Knoten dahin, fühlten uns sicher und vertrautem dem Schiff, das sich spielerisch führen ließ und vor dem Wind dahin schoss.

Auf dem Plotter sahen wir uns nun in russischen Hoheitsgewässern, weit voraus an Steuerbord den Leuchtturm Brüster Ort. Außer uns nicht eine Menschenseele oder ein Schiff- die Sonne brach durch die Wolken und wenn es nicht die falsche Richtung gewesen wäre, wir hätten gejubelt!

Je näher wir der Landecke kamen, schien es uns als ob der Wind von diesem aufgestaut und abgelenkt wurde - statt auf die Nordküste konnten wir immer südlicher steuern.

Pionierski Ade - Baltisk, wir kommen! Unsere Chancen wuchsen und bald hatten wir die Nordwestecke der Enklave Königsberg backbord querab.

Der Wind ließ etwas nach - eine Chance das Hafenhandbuch zu konsultieren:

Da steht nun, Baltisk ist nur zum Einklarieren da und man muss weiter nach Königsberg.

Egal, wir waren mittlerweile fast zwölf Stunden ununterbrochen unter Hochspannung und bedurften irgendeines Hoffnungsschimmer.

Kurs Süden im Abstand von 5- 6 sm liefen wir in abflauender See an der Küste entlang.

Überlegungen in die Nacht zu laufen, zu hoffen, dass Wind und Welle abnehmen und polnische Gewässer zu erreichen, verwarfen wir unter diesen Bedingungen.

Gegenan zu motoren war indiskutabel. Der Himmel klarte auf, die Abendsonne wärmte uns in unserem durchnässten Ölzeug und die Küste in Lee lockte uns im Auflicht.

Wir beschlossen auf Land zuzulaufen und zu ankern.

Südlich von dem Feuer „ ObZornie „ - ein bedeutungsschwerer Name, wie sich später herausstellte - liefen wir mit der immer noch recht ordentlichen Dünung und Westwind auf das lang -gestreckte Land zu. Nirgends eine Bucht, ein Vorsprung, nichts - die Wellen rollten mit brechenden Kämmen auf das Ufer zu und die weiße Gischt baute einen breiten weißen Streifen vor den Sandstränden mit dem leicht erhöhten waldbestandenem Ufer auf.

Auf 5m Tiefe und Sandgrund warfen wir Anker - an Land waren Menschen zu erkennen, vereinzelt blinkten Autoscheinwerfer Richtung Meer.

Dämmerung hüllte uns ein und das Brausen der sich brechenden Wellen, die unseren Bug, der sich nun vor Hahnepot über eineinhalb Meter senkte und hob, erschien uns nach über 12 Stunden ununterbrochener Aufregung plötzlich wie ein Geschenk.

Eine Minute später schliefen wir tief und fest.

Ein Knirschen ließ mich hochschrecken. Sekundenschnell war ich hellwach, öffnete den Niedergang und stand im Cockpit.

Der Steuerbordschwimmer lag auf dem Strand und jede Welle hob den Backbordschwimmer und drückte den Mittelrumpf auf den Sand. Der Wind wehte jetzt kräftig entlang der Küste und die auflaufenden Wellen hoben das Schiff auf den Sand.

Sofort erkannten wir die Strandung und Uli holte den vertriebenen Anker ein und brachte ihn ins tiefere Wasser gegen die anrollenden Wellen. Er belegte die Ankerleine jetzt ohne Hahnepot über die Backbordklampe und wir versuchten den Bug in die Wellen zu drücken. Immer wieder überspülten uns die Wellen, wir standen hüfthoch im Wasser und versuchten das Schiff daran zu hindern, erneut querzuschlagen.

Ich weiß nicht wie lange wir in der Dunkelheit, dem Wind und den anbrandenden Wellen geschoben und gezerrt haben, aber irgendwie gelang es uns, die drei Rümpfe gegen die Wellen zu richten. Nur noch das flache Heck knirschte bei jeder Welle, die das Schiff hob und senkte häßlich auf dem Strand.

Während Uli versuchte den Tri mit Hilfe der Ankerleine gegen die Wellen ins tiefe Wasser zu ziehen – wir haben ja nur 45 cm Tiefgang – stürzte ich zum Heck und es gelang mir in einer auslaufenden Welle das Heck in knietiefes Wasser zu drücken.

Blitzschnell kletterte ich ins Cockpit, senkte den Außenborder ab, startete ihn – im Kopf hörte ich schon das Kreischen der Schraube im Sand – und gab Gas.
Sofort wirkte die Schubkraft und durch Drehen des Motors konnte ich sogar steuern.

Ich registrierte nur, das Schiff schwamm, ich konnte es gegen die Wellen halten und versuchte ins tiefere Wasser zu kommen.
Uli war verschwunden – Rufen erschien mir bei dem Wind und Brandung sinnlos.

Immer wieder warfen mich die Wellen zurück und erneut schob mich der Schub des hochdrehenden Außenborders Richtung See.

Schließlich begriff ich, dass mich etwas hinderte. Den Strand eineinhalb Meter hinter dem, Heck, die in der auslaufenden Welle immer wieder in der Luft durchdrehende Schraube, brauchte ich eine Zeit, um zu begreifen, dass mich unsere Ankerleine festhielt.

Wo war Uli?

Ich konnte keine Sekunde den Gasgriff des Außenborders loslassen.

Verzweifelt starrte ich in die Dunkelheit und suchte die nahe Umgebung ab .Das Heck tanzte auf und nieder und ich begriff, dass der Motor uns gegen die Wellen halten konnte – durch Drehen des Außenborders war ich sogar in der Lage, die Wirkung der auflaufenden Wellen abzufangen. Aber wie lange?

Plötzlich stand Uli hinter mir im Steuerbordnetz, keuchend und völlig außer Atem.

“Schneide den Anker ab” schrie ich ihm zu.

Und endlich – uns schien es wie eine Ewigkeit, obwohl der ganze Spuk nur zwanzig Minuten gedauert hat – schob sich das Boot befreit durch die Wellen, der Strand verschwand mit seinem weißen Brandungsgürtel rasch in der Dunkelheit und wir erreichten tieferes Wasser und die Wellen liefen unter dem Rumpf durch.

Jetzt trauten wir uns das hochgeklappte Ruder in Position zu bringen, dann senkten wir das Schwert zur Hälfte ab und endlich zeigte uns das Lot 3 m Tiefe an.

Wir nahmen die Fock hoch und segelten uns frei, der Wind war immer noch kräftig.

Schließlich zogen wir das Groß hoch und stellten den Motor ab.

Von Ost blinkte das Leuchtfeuer ObZornie uns zum Abschied.

Jetzt endlich war Zeit sich trockenes Zeug anzuziehen – die ganze Aktion hatten wir im Schlafanzug bewältigt – und das Schiff zu inspizieren.

Offensichtlich war alles dicht, die Logge zeigte an, nirgends waren Spuren der Strandung erkennbar.

Es war kurz nach drei Uhr früh, noch dunkel und ich segelte Richtung Westen zur Polnischen Seegrenze. Uli verschwand im Schlafsack.
Später kamen aus Richtung Baltisk zwei russische Fischtrawler und querten unseren Kurs.
Niemand wollte etwas von uns, die Dämmerung stieg herauf und dann stellten wir auf dem Plotter erleichtert fest, dass wir in polnischen Gewässern segelten.

Wir hatten unser russisches Abenteuer überstanden. Die Sonne spendete uns Kraft, der Wind schlief ein – und nach langem Motoren entlang der Küste erreichten wir nachmittags die Einfahrt nach Danzig, wo wir überglücklich im Stadthafen gegen 17 Uhr festmachten und unser Glück feierten.

Vor einer Woche waren wir in Riga zur Heimreise gestartet, 422 sm hatten wir bereits geschafft.

Ein Besichtigungstag in dieser anregenden Stadt brachte uns wieder ins Gleichgewicht und voll Mut starteten wir am Dienstag Richtung Westen.

Ein leichter, frischer West schob uns über die Danziger Bucht, vorbei an Hel und dann hieß erneut Aufkreuzen.

Stunden um Stunden kämpften wir uns gegen Wind und See bis vor die Einfahrt von Wladislawowo. Im glatten Wasser zwischen den Molen schob uns mit killenden Segeln der Motor mit voller Kraft ins geschützte Hafenbecken.

Leba war das Ziel des nächsten Tages. Verheißungsvoll kreuzten wir bei leichten Winden zunächst nach Westen, um später an der Küste bei Flaute entlang zu motoren. Seit wir in Danzig – unserem ersten Hafen in Polen ordnungsgemäß einklariert hatten – genügte nun ein Zuruf dem Zöllner mit Woher und Wohin.Crewanzahl und Schiffsname. So ging es in allen Häfen einfach und freundlich zur Freude der Segler. Das im Frühjahr erschienene Handbuch von Jörn Heinrichs über Polen und Litauen leistet beste Unterstützung und gibt viele hilfreiche Tipps.

Leba verfügt über einen Sportboothafen mit erstklassigem westlichen Standard.

Und im Ausrüstungsshop wird Erstandenes in Niemeyer Tüten verpackt.

Der Wetterbericht kündigte erneut kräftige Westwinde an, so dass wir bereits früh
aufbrachen und bei leichtem Regen Richtung Westen strebten. Bald kam die Sonne, wärmte uns und der Wind nahm zu – natürlich von vorn.

Stundenlanges Aufkreuzen unter der Küste in kurzen, ruppigen Wellen zerrte an unseren Kräften, bis wir mit zehn Knoten in die molenbewehrte Flusseinfahrt von Ustka hineinschossen.

Abenteuerliche Ausflugsboote kamen uns entgegen, auf den Molenköpfen winkten uns begeisterte Zuschauer zu.

Der Zollmann wies uns einen Liegeplatz über UKW zu und dann verschnauften wir an einer rostigen Pier gegenüber dem Leuchtturm, um den sich der Ort schart, lebendig und bunt und voller Urlauber, die die breiten sonningen Strände bevölkern .

Den ganzen Tag über stand eine See in die enge Einfahrt, dass wir uns fragten, wie sollen wir da rauskommen. Westwind mit sechs Beaufort lautete die Vorhersage für die nächsten Tage.

Zum ersten Mal seit 34 Tagen sah es so aus, als ob uns der Wind stoppen würde.

Wir beobachteten eine Yacht, die unter Maschine gegenan dampferte, endlos lange vor der Einfahrt brauchte, um auf Kurs zu gehen und in den Wellen stampfte ohne
Wirklich vorwärts zu kommen.

Hafentag – an einer unatraktiven Pier in einem unangenehmen Schwell und ständig Sand aufs Schiff. Ortsbesuch, Wetterabfrage beim Hafenkapitän ,kostenloser Liegeplatz, Friseur und Einkauf – und Überlegungen, wann und wohin und wie wir weiterkommen.

Gegen Abend unsres ersten unfreiwilligen Liegetages flaute es ein wenig ab. Hoffnung kam auf, erneut Abfrage aller Wettervorhersagen.

Wir fassten den Entschluss, um 3 Uhr früh auszulaufen, um Kolberg zu erreichen.

Ablandiger Wind unterstützte unseren Aufbruch, dann begann es zu regnen und der Wind nahm zu und wurde immer vorlicher. Doch früh um sieben Uhr hatten wir Darlowo bereits querab, es lief ganz gut und wir nahmen uns ein Dickschiff nach dem anderen vor, die mit uns liefen.

Mühsam kamen wir an die “Peter von Seestermühle” heran - ein fast 20 m langer Zweimaster – und überholten sie bei Starkwind und Regenschauern. Gewitterwolken zogen vom nahen Land heraus, der böige Wind änderte mehrfach abrupt seine Richtung und blies uns schließlich voll ins Gesicht.

Wieder mussten wir unter Land in ruppigem Seegang aufkreuzen, stundenlang und verbissen fuhren wir eine Wende nach der anderen, bis wir endlich die Einfahrt von Kolberg vor uns hatten.

Bauarbeiten verengen zurzeit (Sommer 2005) die Erweiterungsarbeiten in der Einfahrt.

Wir meldeten Port-Kontroll, dass wir mit sieben Meter Breite hineinsegeln müssten.

“Please, come in” kam prompt aus dem Lautsprecher und schon sausten wir mit abenteuerlichem Tempo zwischen die Molenköpfe in die gekrümmte Flusseinfahrt.

Ein entgegenkommender Fischer stampfte uns entgegen, ein Kran schwang seine Schaufel bedrohlich in unseren Weg und dann glitten wir im glatten Wasser mit weit geöffneten Segeln zwischen den vertäuten Schiffen zu beiden Seiten den Fluss hinauf.

Um 3 Uhr früh waren wir in Dunkelheit gestartet, um 10 Uhr machten wir im verkrauteten Becken neben der Festung fest, 66 sm anstrengende Seemeilen steckten uns beiden in den Knochen und wir legten uns wohlverdient aufs Ohr.

Abends marschierten wir in den Ort zur Hafeneinfahrt. Noch immer blies der kräftige West vor der Einfahrt und hohe Wellen rollten zwischen den Molen in die Flussmündung.

Den ganzen nächsten Tag war Geduld angesagt. Wir lernten Jörn Heinrich kennen und ließen uns eine Widmung in sein Hafenhandbuch schreiben.

Immer wieder fragten wir das Wetter ab und über uns zogen schwarze Wolken im Wechsel mit Sonne.

Gegen Abend sollte es abflauen und wir entschieden uns, die Gunst zu nutzen.

Noch einmal waren wir zur Einfahrt gepilgert und hatten den Seegang überprüft.

Vorbei an der Immigration – Zuruf “ MASERATRI – zwei Personen – Swinovice” Und wir wurden mit einem freundlichen Wink entlassen.

Draußen wärmte uns noch die letzte Abendsonne, ablandiger Wind schob uns zügig Richtung Westen. Weit um uns herum Gewitterwolken mit Regenbahnen, über uns das letzte Blau mit den ersten Sternen.

Und so blieb es die ganze Nacht.

Blitze reflektierten im Segel, Leuchtfeuer passierten an Backbord, Hafeneinfahrten ließen wir hinter uns und ein herrlicher Wind machte diese Nacht zur Freude.

Stunde um Stunde liefen wir unter Groß und Fock, auf dem Plotter konnten wir uns verfolgen, das Leuchtfeuer Kolberg verschwand hinter dem Horizont achteraus und an Steuerbord weit voraus hinter der Kimm tauchte das Feuer der Greifswalder Oje auf.

Es wurde hell, die wärmende Sonne beschien die lange Schutzmole von Swinemünde und wir hatten es geschafft.

80 sm in elfeinhalb Stunden und endlich die polnische Küste hinter uns.

Ausklarieren an Backbordseite, den Fluss hinauf und den Kanal entlang in der warmen Morgensonne hinein ins Stettiner Haff.

Glattes Wasser, eine leichte Brise und endlich raus aus dem Ölzeug.

Um 10 Uhr passierten wir das polnische Grenzboot und waren nach 37 Tagen wieder in heimatlichen Gewässern.

Herrliches Segeln.

In den Abend hinein bis vor Wolgast auf einen idyllischen Ankerplatz.

Ein Traumrevier!

Zur ersten Öffnung standen wir schon vor der Brücke, tuckerten unter Maschine das enge Fahrwasser hinauf in den Greifswalder Bodden.

Natürlich mal wieder Wind auf die Nase und so kreuzten wir vergnügt auf zur Einfahrt in den Strelasund, wichen Gewitterwänden und Regenschauern aus und genossen das Spiel mit den Elementen im Glücksgefühl schon fast zu Haus zu sein.

Im Strelasund kreuzten wir mit einigen Dickschiffen um die Wette auf. Immer enger wurde das kurvenreiche Fahrwasser, immer weniger Mitsegler begleiteten uns, uns hatte die Leidenschaft gepackt und schließlich barg unser letzter Mitsegler die Segel und warf die Maschine an.
Erneut liefen wir auf die Fahrwasserbegrenzung zu – jeder Meter musste genutzt werden – und “Ree” . Das Boot machte einen Nicker, wir spürten, wie das Schwert sich in den Schlick bohrte und standen einen Meter neben der roten Tonne.

Segel loswerfen, Schwert hochziehen und Motor an.

Alles ging blitzschnell doch sofort versetzte der Strom uns weiter ins Flach und nun staken wir mit dem Ruderblatt - es ist 80 cm im Wasser - im Schlick.

Ruderblatt gelöst und mit der Maschine rückwärts ins Fahrwasser.

Das genügte, nun bargen auch wir die Segel, aufmerksam vom hilfsbereiten Dickschiff beobachtet und dampferten langsam um die letzte Kurve vor die Klappbrücke von Stralsund.

Ein großes Aufgebot von Yachten erwartete die Öffnung- und dann waren wir auf der Nordseite, hatten die drei Brücken vom Stettiner Haff hinter uns und wähnten nun freie Fahrt nach Hause.

Ein freundlicher Hafenmeister wies uns einen Platz an der Pier zu und abends eroberten wir die Stadt zu Fuß und genossen das heimische Bier.

Im Laufe der Nacht zogen dunkle Wolken auf und der Wind nahm kräftig zu.

Uns störte das nicht, wollten wir doch sowieso nur die 10 Meilen bis Barhöft
.
Dort erwartete uns ein Freund, der uns den Bodden zeigen sollte.

Nur unter Fock gingen wir in die Fahrrinne, heftige Wellen von Backbord machten unserem Leichtgewicht zu schaffen- hinter uns ein behäbiges Dienstfahrzeug, das langsam aufkam.
Mit unseren sieben Meter Breite kämpften wir uns unter Motor auf der Backbordseite Richtung Barhöft ,immer wieder warf uns die See nach Lee.

Das Motorschiff überholte uns in Luv und ich hatte alle Mühe mich von der Fahrwasserbegrenzung freizuhalten – in seinem Windschatten zogen wir schnell wieder nach Luv auf die Gegenfahrbahn.

Endlich gerieten wir unter die Waldabdeckung und steuerten erleichtert an die
Pier, wo uns der Hafenmeister, dem wir unser Kommen am Abend vorher angekündigt hatten, in Empfang nahm. Unser Freund Charlie belegte die Leinen und es gab ein freudiges Wiedersehen.

Im Laufe des Tages wurde der kleine Hafen voller und voller.

In Rostock begann die Hanse-Sail, aber ein Sturmtief in der westlichen Ostsee nagelte alle fest.

Tollkühne, oder waren es Leichtfertige, die den Versuch unternahmen durch die Gellenrinne ins freie Wasser zu kommen, waren nach wenigen Stunden wieder zurück und dankbar noch irgendwo längsseits gehen zu können.

Ein schwerer Fischerkahn hatte aufgesetzt in dem Seegang und suchte das Leck.

Eine Etap 27 wurde von der Seenotrettung in den Hafen geschleppt, beide Ruder waren gebrochen und bei Grundberührung hatte der Motor ausgesetzt.

So blieb uns nichts anderes übrig, als schließlich vier Tage zu warten – erstaunlich das uns das nicht viel früher passiert ist – bis wir endlich Sonntag morgens um sechs Uhr uns aus den Päckchen ausfädelten und bei moderatem Südwind bis Rödyhavn laufen konnten.

Ein letzter Abend auf dem Boot, eine letzte Nacht in der Koje und dann ging es über die ruhige Ostsee nach Kiel – nach Hause!

44 Tage waren wir unterwegs, fast 2000 sm im Kielwasser und dann banden wir das Boot in der Box in Möltenort fest.

Wir dankten beide unserem tüchtigen Schiff und unseren Schutzengeln – es müssen einfach mehrere gewesen sein, bei soviel Glück!

Autor: Peter Meincke



17.01.2007
by eus