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Veröffentlicht in "Mehrrumpfboote" Nr. 111 - April 2004

"....die schönsten Strände der Welt ! " oder der Unterschied zwischen Hochglanz und Wirklichkeit.

Karibische Illusionen


Es ist tiefschwarze Nacht - und das schon seit 18 Uhr 30. Der Wind pfeift durch die Senke in die Baie de Columbier an der Nordwestseite von St. Barthelemy. Seit Stunden schwoit unser Katamaran- ein Lagoon 380 - geräuschvoll an seiner Hahnepot. An Schlaf ist nicht zu denken.

Wir sind von St. Maarten - Oyster Pond herüber gesegelt - als Auftakt auf dem ungewohnten Schiff. Der Vorteil dieses Ankerplatz ist: man muß nicht einklarieren! Der Nachteil - es gibt kein Restaurant - und wir müssen kochen. Aber noch ist es ja aufregend - zwar essen wir drinnen, denn es regnet gerade heftig. Gewitterwolken mit einem herrlichen Regenbogen. Außerdem haben wir gestern in der Marina bei Captain Oliver gespeist und natürlich „frischen“ Fisch gekostet. Oyster Pond - des Autors von „ Inselträume“ und „Kokosnuß satt“, Rudolf Wagner liebster Platz in der Karibik - wenn man seinen „ 5 Fragen „ in der Yacht 6/04 (letzte Seite) glauben darf!. Muß schon lange nicht mehr da gewesen sein, der Experte! Zwei Charterbasen mit ihren Schiffen, dazu die übrigen Yachten, alle randvoll belegt und dann 3 Toiletten und Duschen ( 1 Euro mitbringen!) an Land. Zwar haben fast alle Boote Fäkalientanks - nur werden sie nicht benutzt - und wer kann schon morgens so lange in der Schlange stehen? Aber wir sind ja auf dem Weg zu den schönsten Stränden der Welt!

Irgendwann wird es auch in der Karibik wieder hell - unsere Bucht: ist sie klar und sauber? Egal vor dem Frühstück wird eine Runde geschwommen - die Luft ist noch frisch - 25 Grad - und das Wasser noch frischer. Frühstück gibt es auf der Terrasse. Und dann steht das Groß und die Genua und unser Wohnmobil saust bei halbem Wind mit 8 Knoten auf einem Bein nach St. Eustatius. Es langt sogar zu einem Sonnenbad im Netz. Vorbei an den Ölpiers finden wir eine Mooringtonne und machen fest vor Oranjestad. Leider ist die Insel holländisch und wir müssen sofort zum Einklarieren. Die Damen sind noch da, verweigern uns aber die Trophäe des Stempels im Paß. Dafür können wir auch gleich ausklarieren und es kostet nur ein paar Dollars.

Na ja, der Strand sieht in dem Schwell nicht gerade verlockend aus. Doch was der ausgewiesene Karibikkenner B. Bartholmes da in seinen „ Karibik - Küsten aus der Luft „ beschreibt und in „ Segeln in der Karibik“ Band 2 , ermutigt uns erneut ins Dinghi zu klettern und auf den Spuren der Geschichte das Steilufer zu erklimmen.

Steht da doch was von einem „atemberaubenden Anblick auf die Oranjebaie“! Und was sehen wir: endloses Wasser mit regenschweren Wolken darüber, zwei Öltanker und den trostlosen Strand von oben. Old Gin House - zwar hübsch anzusehen - aber geschlossen. Und uns bewegt die Sorge: kommen wir trocken zurück zum Schiff, das in der Dünung bedenklich schwoit und an der Mooringtonne zerrt.

Nichts mit auswärts speisen - wir kochen selbst und essen unter dem Regenbogen im Salon. Erneut zwölf Stunden rabenschwarze Nacht!( Mein Tipp: Törnplanung nach Mond richten). Schwimmen am Morgen und Frühstück auf der Terrasse! Die Sonne wärmt ein wenig, aber der Wind hat keine Lust. Da wir ja unterwegs sind „zu den schönsten Stränden der Welt“, helfen wir nach. Der Tag vergeht mit Motor; tanken in Basseterre auf St. Christopher - leider englisches Territorium - also klarieren wir ein. Kostet nur eine Stunde Zeit und 32 Dollar. Aber dann dürfen wir weiter und Nevis - Gott sei Dank auch in englischer Hand - ist unser Ziel. Nicht nur Bartholmes(siehe oben), auch unser Instruktor bei der Skipperbesprechung hat mit leuchtenden Augen von Charlestown geschwärmt. Nur der Wind will nicht dahin- also müssen wieder die Jockel ran - schließlich haben wir ja zwei.

Als der Anker südlich der Mole von Charlestown fällt, wird das Dinghi klar gemacht und ich habe noch eine Chance auszuklarieren - schließlich wollen wir „ zu den schönsten Stränden der Welt“.

Statt Wind bringt ein Taxi mich zum Handelshafen - dort kann man noch bis 16 Uhr ausklarieren - und wir wollen ja morgen früh los! Es ist zwar kurz vor 16 Uhr - über UKW Kanal 16 meldet der Fahrer uns an. Es klappt - geduldige, freundliche in tadellos gebügelten Hemden und Blusen gekleidete Beamte gehen mit mir zurück ins Büro. Sogar unsere Trophäen bekommen wir in die Pässe gestempelt.

Zurück im Ort - 25 Dollar Taxifahrt für 3 Kilometer - werden im fernen winterlichen Europa, Gattinnen via Kartentelephon überzeugt, daß nichts passiert ist, nur die Handys gehen halt hier nicht. Einkäufe werden getätigt, der Charme von Charlestown wird als widerstehlich empfunden und wir flüchten entschlossen und verholen uns nach Pinners Beach. Zwar nur ein Tagesankerplatz - aber dafür ein Four Season Hotel in Aussicht.

Und endlich sieht es aus wie in der Karibik! Langer Sandstrand, Palmen bis fast ans Meer und kaum Dünung. Glasklares Wasser, türkisfarben, der Strand im weichen Licht der Abendsonne -fast ein Paradies. Aber wir wollen meeresfrischen Fisch kosten und der Name des Hotels verspricht ja auch nicht gerade Mittelmaß. Also schnell geschwommen, Dinerhemd und Hosen an, ab ins Schlauchboot. Das Restaurant finden wir mit Hilfe der Fackeln, die es erleuchten unter den Palmen- ist ja schon wieder stockfinster - die paar Sterne bringens einfach nicht ohne Mond!

„Tres Amigos“ haben wir fünf amigos dann doch wiedergefunden unter all den Ankerliegern und uns über den französischen Käse und den Merlot hergemacht- einmal am Tag verlangt auch der Gaumen sein Recht - kommt ja schon genug zu kurz! Da wir den Vortag im Laufschritt mit Motor und Taxi verbracht haben und auch nur eine Flasche Merlot geköpft, stehen wir voll Tatendrang beim ersten Tageslicht am Anker. Denn die „ schönsten Strände der Welt „ ( siehe Bartholmes, Wagner, Doyle etc) liegen natürlich in Antigua. Und deswegen sind wir ja hier und da wollen wir hin!.

Der Wind ist kein Frühaufsteher - aber zweimal Yanmar schieben uns voll Erwartung an der Westküste entlang, der Nevis Peak - fast tausend Meter hoch- hat eine Mütze auf, bietet uns einen wundervollen Regenbogen und einen kräftigen Schauer. Ölzeug und Volldampf um die Südwestecke in die kraftvolle Atlantikdünung.

Dummerweise liegt unser Ziel genau im Wind und dann gleich 50 Meilen voraus. So ein Wohnmobil hat ja auch seine Vorteile - der Mann am Rohr- wettergeschützt - beobachtet den Autopilot und der Rest sitzt in der guten Stube, liest, ißt Äpfel oder versucht auszurechnen, in welcher Woche „ die schönsten Strände der Welt“ erreicht werden können. Rasmus haben wir vergessen - ich gestehe es - und den Merlot allein genossen! Jetzt gibt‘s was auf die Mütze. Schwarze Regenwalzen verdunkeln voraus den Himmel, wir reffen die Segel, die nur stützen und dampfern unter Maschine gegenan. Es brist auf , 30 Knoten zeigt unser Windmesser - wenn wir so weiter kreuzen, können wir Ostereier suchen auf Antigua. Kursänderung nach Montserrat - empfehlen ja sowieso alle! Direkt nach Antigua ist zum Kotzen - und das meinen die Herren Doyle und Co wörtlich. Selbst nach Redonda müssen wir jetzt kreuzen. Die beiden Rümpfe krachen in die Wellen. Das Schiff ächzt und knackt zum Fürchten - immer wieder. Oben auf dem Bock sitzt man hoch und relativ trocken, während unten im Salon mit seinen Panoramascheiben die Scheibenwischer fehlen. Die zweite Regenwalze hat uns kräftig geduscht und geschüttelt, es wird heller und...

der Wind hat ein Einsehen mit unsrer Sehnsucht, er dreht südlicher. Zwar können wir Antigua nicht anliegen, aber mit langen Kreuzschlägen, immer feste gegen die kurze, ruppige Welle schaffen wir es nach 10 Stunden, in Jolly Harbour einzulaufen. Tanken und Flucht aus diesem Pseudo Port Grimaud. Wir verholen uns ganz tief in die Bucht von Five Island Harbour - außer uns liegen hier noch zwei Schiffe, aber das Wasser ist aufgewühlt von der Brandung und blind vom Sand. Schwimmen wird zur Pflichtübung- Abendbrot natürlich im Salon, draußen dunkel und regnerisch. War natürlich zu spät zum Einklarieren, also Sonntag Landgang und vorher die Behörden.

Antigua ist so schön bei unseren Experten beschrieben, daß ich empfehle, sich es gemütlich im Cockpit zu machen, ein Glas Was-auch-immer in der Hand, und nachzulesen. Die Realität verdirbt einem nur die Erinnerung- außerdem regnet es garantiert, ist teuer und die wahren Highlights, die unser Hotelexperte Hörmann immer in der WAMS anpreist, lassen Yachties sowieso nicht rein. Der Morgen auf dem Weg „ zu den schönsten Stränden der Welt“ beginnt mit einem Regenbogen - in 6 Jahrzehnten habe ich nicht so viele Regenbogen gesehen, wie hier in 10 Tagen - und natürlich dem notwendigen Regen. Dafür müssen wir nicht ausklarieren und können bei Hellwerden los. Ist ja auch kein Problem. Selbst wenn die zweite Flasche Merlot leer ist, ist Zuhause erst die Tagesschau vorbei und wir gehen einsam in die Koje- da ist man erleichtert, wenn man bei Hellwerden ins frische Wasser darf. Auch Rasmus hat seinen Ruhetag genutzt und bläst zu unsrer Freude wieder stramm aus Ost.

Aus der Abdeckung Richtung Barbuda segeln wir halben Winds nach Norden- manchmal mit zuviel Tuch -endlich ( 2. Segeltag) mal wieder. „Die Versorgungsmöglichkeiten mit Lebensmitteln und Wasser sowie die Transportmöglichkeiten auf der Insel sind gleich Null“ berichtet unser geschätzter Bartholmes, aber auch „der schönste Ankerplatz der Gewässer von Antigua und Barbuda“. Ist doch klar, dass TRES AMIGOS mit seinen fünf amigos hin muss! In der Vorfreude planen wir sogar auf dem Weg dahin, einen Badetag einzulegen. Und dann nähern wir uns nach 40 Meilen Palmetto Point, der Südwestecke von Barbuda. Ein Problem! Wir müssen ausklarieren - entweder heute oder morgen. Man soll das Dinghi über den Strand in die Lagune tragen können und nach Coddrington fahren, um dort die Immigration zu kontakten. Wir ankern auf Sand - mutterseelenallein ( verspricht ja auch Bartholmes) - „vor dem schönsten Ankerplatz der Welt“?

Was sehen wir: hellgrünes Wasser, einen lupenreinen Sandstrand, an dem sich die Dünung mit einer ordentlichen Welle voll Getöse bricht, dahinter Gestrüpp, welches die flache Insel verbirgt. Nur der Funkmast läßt Zivilisation vermuten. Die Lagune entpuppt sich als zugewachsener, verkrauteter Tümpel - keine Chance für das Dinghi. Kein Restaurant weit und breit - das Hotel Dunes an der Südwestspitze ist leer und verlassen. Und hier sollen wir bleiben? Selber kochen? Keinen frischen Fisch? Keine Pinacolada - nicht mal aus dem Plastikbecher? Nein, nein, nein!

Es wird ausklariert - und zwar sofort. Eile tut Not, denn der verläßliche Doyle meldet, die Behörden arbeiten nur bis 16 Uhr. Um es kurz zu machen, trotz der Brandung und Strom, gelingt die Anlandung, das Einholen der Trophäe in den Paß, sogar der Kauf von Eiern, Schokolade und schwarzem Tee( hier sei Bartholmes widersprochen). Das Taxi über 16 gerufen zum Hotel Dunes kommt nicht und an Land kann ich nicht nachhaken (UKW-Zweitgerät empfiehlt sich). Ein langer Fußmarsch und glückliche Umstände, bringen mich zurück zum Ankerlieger und nach einem abenteuerlichen Entermanöver ins Schlauchboot bei voller Fahrt bin ich mit nassem Hintern und trockenen Pässen wieder auf dem fluchtbereiten Wohnmobil.

Den Abend verleiden uns schwarze, schwere Regenwolken, die von Osten heranziehen. Um Mitternacht brechen wir auf und dampfern durch die pechschwarze Nacht Richtung Nordwesten unsrer ersten Ankerbucht auf St. Barthelemy entgegen. Am frühen Morgen treiben uns immer noch riesige, dunkle Wolkenwände vor sich her. Und dann fischen wir in der Baie de Columbier nach elf langen Stunden unsere Mooringtonne auf und fühlen uns wie zu Hause. Ich könnte noch von Johnos und Roy berichten, von Sandy Island und Prickley Pear Cays, faszinierendem Schnorcheln, von Segelversuchen und Motorfahrten, Anker unter Korallen, Tampen in Schraube, kühlen Morgen und kaltem Meer, heißen Mittagen, häßlichen Orten, langen dunklen Nächten, mittelmäßigem Essen und netten Menschen.

Die schönsten Strände der Welt muß ich noch suchen, aber vielleicht geht das nur mit dem Mann im Mond und nicht mit Hochglanz., die Wirklichkeit ist halt immer auch ein wenig schäbig - selbst, wenn die HÖR ZU Nr 10/04 uns mit dem Titel fängt und die 10 schönsten Sonneninseln als Klassiker der Karibik verkauft. Am objektivsten haben die exzellenten Karten der Nautischen Veröffentlichung Verlagsgesellschaft informiert - sie liefen auf meinem Pocket-PC und zeigten stets mittels GPS-Jackett unsere Position. Da gibt es vier Kartensätze für die Karibik auf deutsch - weil ja alle „ die schönsten Strände der Welt“ besuchen wollen.

Autor: Peter Meincke



26.03.2006
by eus